Wie du die echten Werte einer Firma erkennst (noch bevor du dort anfängst)

Wie du die echten Werte einer Firma erkennst (noch bevor du dort anfängst)

Lesezeit: 2,5min

Hi,

Heute schauen wir uns an, wie wir die “echte” Kultur einer Firma durchleuchten können – noch bevor ein neuer Job angefangen wird.

Einer der Fragen, bei der ich in fast jedem Mentoring irgendwann vorbei komme, lautet sinngemäß:

“Schön und gut, jetzt weiß ich also ziemlich haargenau, wie ich ticke und welche Firma und Kultur zu mir passen WÜRDE. Aber wie erkenne ich denn, was die WIRKLICHEN Werte eines Unternehmens sind, und welche Firma tatsächlich zu mir passt?”

Die Frage ist berechtigt. Nicht nur das – sie ist auch komplex. So komplex, dass die allermeisten Menschen sich eben nicht die Mühe machen, vor der Vertragsunterschrift eine Unternehmenskultur auf Herz und Nieren zu durchleuchten. Und, oh Wunder, 4 von 5 Angestellten sind nach kurzer Zeit wieder unglücklich – und verschenken damit wertvolle Lebenskraft. Das geht auch besser. Schauen wir uns an, wie.

Bewirbst du dich auf eine Rolle und ein Gehalt – oder auf eine Kultur?

Letzte Woche haben wir im Purpose Letter gesehen, dass die Kultur einer der größten Faktoren ist, die über Glück oder Unglück, und damit sogar über erfüllte oder deprimierende Karrieren bestimmen.

Und dennoch: die wenigsten Menschen priorisieren bei ihrer Job-Auswahl nach der Kultur. Sondern nach, wenn wir die Motivationsforschung zugrunde legen, “beiläufigen” Kriterien. Das wären bspw. Arbeitszeit, Stressfaktor, Pendelzeit, Rolle, Verantwortung, Titel usw. . Nur eines nicht – der so wichtige Werte-Match.

So machst du es richtig

Du willst aus der Masse ausbrechen, und einen Arbeitgeber haben, der mit deinem Menschenbild und deinen persönlichen Werten übereinstimmt?

Das wichtigste vorab: bevor du nach Firmen suchst, die dir gefallen, darfst du deine Zielkultur benennen. Ich rate immer dazu, das schriftlich festzuhalten. Wenn das einmal getan ist, kann die Schatzsuche nach der richtigen Kultur losgehen.

4 Tipps, um eine Kultur zu durchleuchten

1. Webseite und Job-Anzeigen scannen

Zugegeben: Kaum eine Firma wird öffentlich ihre Makel in den Fokus stellen. Und dennoch können die Sätze, die sich die Marketing- und Personal-Abteilungen haben einfallen lassen, eine Menge aussagen. Auch und insbesondere das, was zwischen den Zeilen steht.

Prüfe daher, ob die Statements über das typische, 08-15 Getöse bzgl. der tollen Firmenatmosphäre hinausgehen.

Bringen sie Beispiele an, wie sie die Mitarbeitenden entwickeln? Wie die Menschen im Mittelpunkt stehen? Wie sie Leadership interpretieren?

Wenn du Fragezeichen hast, notiere sie – das ist der Stoff, den wir in Interviews ganz offen abfragen wollen.

2. Kununu und Glassdoor Bewertungen

Bewertungsportale, bei denen Mitarbeitende und Ex-Mitarbeitende eine Firma anonym beschreiben können, sind Gold wert. Dabei geht es weniger um einzelne Ausreißer – denn so gut wie jedes Unternehmen macht Fehler und wird Menschen auch mal enttäuschen. Was wir suchen, sind Muster.

Neben der allgemeinen Note kommt es auf die konkreten Inhalte an.

  • Was sind die Muster, die dir beim Lesen der ersten 10-20 positiven Bewertungen auffallen?
  • Wie ist das bei den negativen Rezensionen?
  • Und vor allem: Wie nimmt eine Firma Stellung zu kritischem Feedback? Nimmt es Kritik glaubhaft an, oder bügelt sie es weg?

Und auch die Durchschnittsnote sagt etwas aus. Eine Kununu Durchschnittsbewertung von 3,3 etwa (Bsp. Amazon Deutschland) oder von 4,4 (SAP) lässt uns erahnen, wie miteinander umgegangen wird.

3. Interview-Fragen

Interviews sind eine herausragende Gelegenheit, die Firma von innen heraus kennen zu lernen. Aber nur, wenn du sie richtig angehst und vorbereitest. Ziel darf nicht nur sein, dich zu verkaufen – sondern herauszufinden, ob beide Seiten nach dem Date mehr voneinander wollen.

Trau dich, provokante Fragen zu stellen, die genau darauf abzielen. Wenn sie dich wollen, sind präzise Fragen nur von Vorteil. Und wenn nicht, ändern deine direkten Fragen auch nichts mehr daran ;)

Ein paar Ideen, wie du deinem Interviewpartner ehrliche Antworten mit Mehrwert herauslockst :

  • Was macht eure Kultur genau aus? Kannst du mir 2 Beispiele dafür nennen?
  • Wie arbeitet ihr an eurer Kultur? Hast du Beispiele?
  • Wie entwickeln sich die Führungskräfte bei euch persönlich weiter? Beispiele?
  • Bist du selbst in 5 Jahren noch in dieser Firma – und wenn ja, warum?
  • Was haltet ihr von New Work und von Home Office? Warum?

4. Kolleg:innen und Ex-Kolleg:innen befragen

Je mehr Stimmen wir hören, desto glaubwürdiger wird es. Umso spannender wird es, wenn wir auch Menschen befragen, die uns vielleicht gar nicht so sehr überzeugen müssen (weil es nicht ihre Rolle ist).

Eine wunderbare Quelle finden wir bei LinkedIn – indem wir deine potentiellen, neuen Kolleg:innen einfach mal fragen. Oder Ex-Mitarbeitende, die – idealerweise in der gleichen Abteilung – tätig waren. Auch wenn nur ein Teil antwortet und gerne Auskunft erteilen wird, lassen sich in Windeseile wertvolle Muster ablesen.

Das Gleiche können wir bei physischen Events tun. Veranstaltet die Firma ab und an Meet-Ups oder Info-Abende? Ziel sollte dabei natürlich nicht sein, den aufgehübschten Vorträgen zu lauschen – deren Mehrwert kann sich in Grenzen halten. Sondern, ganz informell und zufällig wirkend, aktuelle Mitarbeiter:innen auf die echte Firmenkultur anzusprechen.

Etwas mehr Aufwand, unendlich größere Erfolgschancen

Zugegeben: Ja, es ist am Anfang mehr Aufwand, als einfach auf Stepstone zu gehen und dich blind zu bewerben. Oder einer Headhunter-Anfrage zuzustimmen, und sich im Prozess führen zu lassen.

Aber: Wenn du dir diese Mühe machst, werden deine Chancen auf einen echten Match zwischen Firma und dir unendlich viel größer sein. Und damit kommst du von der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen mit etwas Vorarbeit zu einer einfachen Google-Suche.

Ich hoffe, du konntest heute etwas mitnehmen.

Beste Grüße

Steffen

TL;DR

  • Die “echte” Firmenkultur zu durchleuchten ist für Bewerber:innen häufig nicht einfach
  • Viele Menschen scheuen den Schritt – und überlassen den “Cultural Fit” damit dem Zufall
  • Du kannst mit ein wenig Einsatz sehr viel über die wirkliche Seele einer Firma erfahren – bspw. durch provokante Fragen im Interview, durch eingängiges Studium der Webseite, mittels Kununu oder Glassdoor und durch Kontaktaufnahme mit Kolleg:innen